Seit einiger Zeit werden von Naturschutzbehörden bei Eingriffsvorhaben aller Art spezielle artenschutzrechtliche Prüfungen (saP) durchgeführt. Dabei wird vom Vorhabensträger oder Bauherren in der Regel ein Artenschutzgutachten gefordert.
An dieser Stelle soll für den Laien am Beispiel Bayerns ein kurzer Überblick über die Grundlagen, Inhalte und Vorgehensweise bei der Erarbeitung eines Artenschutzgutachtens gegeben werden:
1. Grundlagen und Inhalte
Das relativ neue Instrument der artenschutzrechtlichen Prüfung basiert auf den Schutzbestimmungen für ausgewählte Tier- und Pflanzenarten, die in zwei europäischen Richtlinien, der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (kurz: FFH-Richtlinie) und der Vogelschutz-Richtlinie sowie im nationalen Naturschutzrecht (Bundesnaturschutzgesetz) verankert sind.
In den genannten gesetzlichen Grundlagen sind bestimmte Tier- und Pflanzenarten aufgelistet, die aus Sicht des Gesetzgebers einen besonderen Schutz benötigen und für die daher strenge Schutzbestimmungen gelten.
Danach sind - vereinfacht gesagt - bestimmte Handlungen verboten, die zu einer Tötung, Zerstörung oder Verletzung dieser Arten und ihrer Fortpflanzungsstadien bzw. zu einer Zerstörung von Wuchsorten, Nistplätzen, Gelegen, Fortpflanzungs- und Ruhequartieren, Rastplätzen usw. führen. Außerdem sind Störungen dieser Arten (z. B. durch Lärm, Licht, Abgase, Erschütterungen, sonstige Beunruhigung) verboten.
Die Gesetze erfordern, dass derartige Handlungen unterlassen bzw. vermieden werden, so dass die genannten Verbotstatbestände nicht eintreten. Bestimmte Vorhaben in Gebieten mit Vorkommen solcher geschützter Arten können daher trotzdem realisiert werden, wenn durch geeignete, speziell auf diese Arten abgestimmte Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen die Auswirkungen für diese Arten vermieden oder sehr gering gehalten werden, so dass ihre Bestände nicht beeinträchtigt werden bzw. im räumlichen Zusammenhang erhalten bleiben. Auch können zusätzliche, sogenannte vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (Fachbegriff: CEF-Maßnahmen) durchgeführt werden, die die zu erwartenden Beeinträchtigungen ausgleichen (abfedern) und dazu beitragen, dass der Erhaltungszustand der Arten (also die Größe und Qualität ihrer Vorkommen) sich im Gebiet nicht verschlechtern. Diese vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen müssen realisiert sein und funktionieren, bevor der Eingriff (also z. B. die Baumaßnahme) durchgeführt wird.
Eine detailliertere Darstellung der gesetzlichen Grundlagen und der Vorgehensweise bei der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung finden Sie z. B. in den Hinweisen der Obersten bayerischen Baubehörde für saP im Straßenbau. Eine Arbeitshilfe zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung erhalten Sie außerdem auf den Seiten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt.
2. Wer ist betroffen?
Artenschutzrechtlich relevante Arten können grundsätzlich überall vorkommen, nicht nur in der freien Landschaft, sondern auch in Städten, Industriegebieten sowie in und an einzelnen Gebäuden.
Alle europäischen Vogelarten sind aufgrund der Europäischen Vogelschutzrichtlinie grundsätzlich artenschutzrechtlich bedeutsam. Da Vögel fast überall vorkommen, gibt es auch kaum einen Bereich, wo eine artenschutzrechtliche Betrachtung nicht erforderlich ist. Auch alle Fledermäuse sind nach Artenschutzrecht zu beachten. Da sich Fledermäuse tagsüber in allen möglichen Hohlräumen, Nischen und Ritzen an Bäumen und Gebäuden aufhalten, ist diese Tiergruppe regelmäßig in Artenschutzprüfungen zu behandeln. Dazu kommen weitere Tiergruppen (z. B. Reptilien, Amphibien, Schmetterlinge, Käfer) sowie einige Pflanzenarten. Teilweise handelt es sich um häufige und verbreitete Arten (wie die Amsel). Einige dieser Arten sind wiederum so selten, dass es überhaupt nur einzelne Fundpunkte in Deutschland gibt und über ihre aktuelle Verbreitung und Bestandsgröße kaum Informationen vorliegen.
Alle Vorhaben, die Umweltbelange berühren, sind in der Regel auch artenschutzrechtlich zu betrachten. Dazu gehören zunächst alle Vorhaben, für die ein Planfeststellungsverfahren oder ein anderes Genehmigungsverfahren ohnehin vorgeschrieben ist, so z. B. Vorhaben des Straßenbaus und anderer Infrastrukturmaßnahmen, des Gewässerausbaus, der Bau von Freileitungen, Kabeltrassen, Gasleitungen, Windkraftanlagen, Solarparks, Geothermieanlagen, Industrieanlagen, Deponien etc.. Auch im Rahmen der vorbereitenden Bauleitplanung (B-Plan-Verfahren, Flächennutzungsplan-Änderungen) sind saP sinnvoll, auch wenn der eigentliche Eingriff erst auf der Ebene des Bauantrages zu behandeln ist. Es hat sich jedoch eingespielt, dass die saP schon als Beitrag zum B-Plan/FNP erarbeitet wird.
Prinzipiell sind jedoch auch alle anderen Handlungen, die einen Eingriff in die Lebensstätten der artenschutzrechtlich relevanten Arten bedeuten, von den Verboten betroffen. Daher werden zunehmend auch beim Abriss von Gebäuden (bis hin zum baufälligen Schuppen) oder dem Um- und Ausbau von Wohngebäuden artenschutzrechtliche Gutachten verlangt bzw. artenschutzrechtliche Auflagen erteilt. Da die gesamte Thematik der Artenschutzprüfung noch relativ neu ist, ist die Rechtsprechung hier noch nicht sehr umfangreich, so dass auch bei Fachbehörden teilweise große Unsicherheiten darüber herrschen, wann eine Artenschutzprüfung erforderlich ist und wo diese nicht mehr verhältnismäßig ist. Dementsprechend gibt es eine große Spannweite in der Behandlung der Thematik zwischen verschiedenen Bundesländern, aber auch zwischen verschiedenen Landkreisen und Städten des selben Bundeslandes. Auch die Fachgutachter sind sich hier noch keineswegs einig, so dass es auch zwischen den saP-Gutachten große Unterschiede hinsichtlich Bearbeitungstiefe, Aussageschärfe, Argumentationsketten und Maßnahmenkonzepten gibt. Hier wird sich in den kommenden Jahren noch einiges an Änderungen ergeben.
Da die Sachlage so kompliziert ist, sollte jeder Vorhabensträger bzw. Bauherr zunächst seine Untere Naturschutzbehörde kontaktieren und sich eine schriftliche Auskunft geben lassen, damit er nicht unbewusst artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt, die später zu genehmigungsrechtlichen Problemen führen können bzw. eine Genehmigung oder einen Beschluss gerichtlich angreifbar machen können. Sie können sich auch an uns oder ein anderes Fachplanungsbüro in Ihrer Nähe wenden, das sich mit saP auskennt.
3. Vorgehensweise
Wenn klar ist, dass für Ihr Vorhaben eine artenschutzrechtliche Prüfung erforderlich ist, empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit einem erfahrenen Fachplanungsbüro. Es gibt hier allerdings große Qualitätsunterschiede, da die Vielzahl betroffener Artengruppen und die komplexe rechtliche Materie hohe Anforderungen an die Gutachter stellen. Sie sind daher nicht gut beraten, einfach den billigsten Anbieter zu suchen, da das Ergebnis möglicherweise einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält. Ihre lokale Naturschutzbehörde kann Ihnen in der Regel einige Büros empfehlen, die auf dem Sektor schon tätig waren und zuverlässige Ergebnisse liefern.
Ein kompetenter Gutachter wird Sie zum weiteren Vorgehen beraten und auf Grundlage der ersten Informationen zum Projekt/Vorhaben auch erste Vorschläge zum Untersuchungsumfang machen können.
Wie oben dargestellt, ist die Liste der artenschutzrechtlich bedeutsamen Arten sehr lang und umfasst einige hundert Arten (je nach Bundesland und Region). Zu Beginn der Arbeiten ist es daher erforderlich festzustellen, welche Tier- und Pflanzenarten im konkreten Projektgebiet potenziell vorkommen könnten und näher zu untersuchen sind. Hierzu wird eine sogenannte Abschichtungsliste erstellt. Damit wird die sehr große Gesamtzahl artenschutzrechlich relevanter Arten auf ein handhabbares und projektspezifisches Maß reduziert.
Oftmals wird dem Vorhabensträger von der Unteren Naturschutzbehörde schon vorab mitgeteilt, welche Arten/Artengruppen zu untersuchen sind. Da die Naturschutzbehörden aufgrund zeitlicher Überlastung keine systematischen Recherchen für die Erarbeitung der Abschichtungsliste durchführen können, sich teilweise aber auch nicht mit allen betroffenen Artengruppen ausreichend auskennen, muss diese erste Angabe nicht in jedem Fall vollständig oder zutreffend sein. Daher ist es sinnvoll, dass das vom Vorhabensträger beauftragte Gutachterbüro die von ihm erstellte Abschichtungsliste nochmals mit der Unteren Naturschutzbehörde abstimmt. Bei dieser Gelegenheit wird auch die erforderliche Untersuchungsintensität festgelegt, also z. B. wie viele Untersuchungsgänge für die Erfassung der Vögel für erforderlich gehalten werden, in welchen Abständen und mit welchen Methoden Fledermäuse zu untersuchen sind oder ob nach einer speziellen Insektenart mit speziellen Fangmethoden zu suchen ist. Diese erste Abstimmung bietet dem Vorhabensträger die Sicherheit, dass nicht später weitere Forderungen seitens der Naturschutzbehörde gestellt werden, die aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit zu einer massiven Verschiebung des Zeitplans für das Vorhaben führen.
Nicht alle potenziell im Gebiet vorkommenden Tier- und Pflanzenarten müssen auch tatsächlich systematisch kartiert werden. In manchen Fällen kann das Vorkommen der Art auch auf Basis einer Potenzialabschätzung untersucht werden. Hierfür kann z. B. aufgrund einer einmaligen Gebietsbegehung zu einer geeigneten Jahreszeit ermittelt werden, ob bestimmte Habitatstrukturen, die für das Vorkommen dieser Art essenziell sind (z. B. die Raupenfutterpflanze eines bestimmten Schmetterlings) überhaupt im Gebiet vorkommen. Wenn diese nicht vorkommt, ist eine aufwändige Kartierung des betreffenden Falters oder eine Suche nach Raupen nicht mehr erforderlich. Es ist jedoch davon abzuraten grundsätzlich nur mit Potenzialabschätzungen zu arbeiten, wie dies bei Aufkommen der saP zunächst aus Kostengründen häufig versucht wurde. Bei einer Potenzialabschätzung muss der Gutachter, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, bei nicht eindeutigen Fallkonstellationen, von einem worst-case-Szenario ausgehen. D. h. er muss annehmen, dass die Art vorkommt, wenn ihre Habitatbedingungen prinzipiell erfüllt sind, auch wenn er sie gar nicht gefunden hat. Das führt oftmals dazu, dass in der späteren Artenschutzprüfung umfangreiche Vermeidungs- oder Ausgleichsmaßnahmen für eine Art erforderlich werden, die unter Umständen gar nicht im Gebiet vorkommt.
Bei unserer Arbeit hat sich eine zweistufige Vorgehensweise bewährt. In der ersten Phase stellen wir die Unterlagen zum Vorhaben zusammen, recherchieren Daten zu Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter Arten im Projektgebiet und dessen Umfeld und erarbeiten die Abschichtungsliste. Mit der Abschichtungsliste und einem Vorschlag zum Untersuchungsumfang gehen wir dann zur Unteren Naturschutzbehörde (UNB) und stimmen diese dort ab. Danach erst wird das Kostenangebot für die erforderlichen Untersuchungen (Kartierungen von ausgewählten Tieren und Pflanzen) und die Erstellung des eigentlichen Gutachtens erstellt. Auch die Kosten für die abschließende Abstimmung der erforderlichen Vermeidungs-, Ausgleichs- und ggf. Kompensationsmaßnahmen mit der Unteren und - wenn Verbotstatbestände erfüllt werden - auch mit der Höheren Naturschutzbehörde sind zu ermitteln.
Form und Aufbau des Artenschutzgutachtens sind nicht vorgeschrieben. Insbesondere für Straßenbauvorhaben gibt es in einigen Bundesländern jedoch bereits Leitfäden und Mustertexte (so z. B. in Bayern, Schleswig-Holstein und NRW), die in abgewandelter Form mittlerweile auch für andere Vorhabenstypen genutzt werden. Weitere Leitfäden gibt es z. B. für Bahnprojekte vom Eisenbahnbundesamt oder für Bundeswasserstraßen. Außerdem gibt es eine umfangreiche und teils kontroverse Fachliteratur zum Thema. Illustrierte Hinweise zum Vorgehen bei Artenschutzprüfungen in der Bauleitplanung am Beispiel Schleswig-Holsteins haben z. B. unsere Kollegen von der GFN mbH in Kiel zusammengestellt.
4. Zeitbedarf
In aller Regel ist für die Untersuchung der betroffenen Tier- und Pflanzenarten eine vollständige Vegetationsperiode erforderlich, da die betroffenen Arten im Verlauf des Jahres erscheinen und unterschiedliche Aktivitäts- und Fortpflanzungsphasen haben. In einigen Fällen müssen auch die Zugzeiten im Frühjahr und Herbst oder das Winterhalbjahr (Überwinterungsgebiete, Winterquartiere von Fledermäusen, Arten mit Aktivitätsschwerpunkt im Winter wie z. B. bestimmte Eulen) in die Untersuchungen einbezogen werden. Nach Abschluss der Bestandserfassung ist Zeit für die Erstellung des Gutachtentextes einzuplanen (einige Wochen bis mehrere Monate). Die Erstellung des saP-Gutachtens inkl. Kartierung kann also zwischen einem halben und bis zu 1,5 Jahren dauern.
Es ist bei der Planung von Vorhaben jedoch noch zu bedenken, dass die artenschutzrechtlichen Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen zwingend durchgeführt sein müssen, bevor der Eingriff stattfindet (also z. B. der betreffende Baumbestand gerodet oder ein Gebäude abgerissen wird). Die Maßnahme muss nicht nur vorher umgesetzt sein, sie muss auch funktionieren (was nicht bei jeder Maßnahme von vornherein 100%ig klar ist). Für bestimmte Maßnahmen (z. B. Baumfällung) sind außerdem in der Regel bestimmte Zeitfenster zu beachten, die gewährleisten, dass die Gefährdung artenschutzrechtlich bedeutsamer Arten minimiert wird. Derartige Zeitfenster und der benötigte zeitliche Vorlauf für bestimmte Maßnahmen müssen bei der Vorhabensplanung unbedingt mit berücksichtigt werden, um unnötige Mehrkosten zu vermeiden. Ein gutes Gutachterbüro wird Ihnen bereits während der Erstellungsphase der saP sagen können, worauf Sie sich einstellen müssen. Evtl. können absehbare und unstrittige Maßnahmen in Absprache mit den Fachbehörden auch schon frühzeitig begonnen werden, um Zeit zu sparen.
5. Sonderfall "artenschutzrechtliche Beurteilung"
Es gibt jedoch immer wieder kleinere Vorhaben, die keine oder sehr geringe artenschutzrechtliche Auswirkungen aufweisen bzw. deren mögliche Auswirkungen mit einfachen Standardmaßnahmen sehr gut vermeidbar oder ausgleichbar sind. In solchen Fällen kann auf eine systematische Kartierung von Arten und eine umfangreiche textliche Abarbeitung, wie sie z. B. im oben erwähnten bayerischen Leitfaden vorgeschlagen wird, verzichtet werden. In manchen Fällen genügt eine sog. Potenzialeinschätzung. Hierbei findet nur eine einmalige Gebietsbegehung durch den Gutachter sowie ggf. eine einmalige Kontrolle bestimmter Habitatstrukturen (z. B. Baumhöhlen, potenzielle Fledermausquartiere an Gebäuden etc.) statt. Dennoch ist anzuraten, dass auch in solchen einfachen und unproblematischen Fällen in Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde (!) eine "artenschutzrechtliche Beurteilung" angefertigt wird, in der das Projekt kurz beschrieben und hinsichtlich seiner Auswirkungen eingeschätzt wird. Die ggf. notwendigen Vermeidungs- und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen (z. B. Aufhängen von Fledermauskästen) sind dort zu dokumentieren. Diese schriftliche Zusammenfassung wird Teil der Genehmigungsunterlagen und stellt sicher, dass später nicht aus formalen Gründen wegen des Fehlens einer saP Probleme oder Nachforderungen auftreten.